© Bild: Egon Schiele, Wally, 1912, Landessammlungen Niederösterreich

Egon Schiele & Wally Neuzil

Die Muse

Die wohl bekannteste Muse Egon Schieles war Walburga/Wally Neuzil. Im Alter von 17 Jahren lernte sie das Enfant terrible der Wiener Kunstwelt kennen. Zunächst eines von mehreren Modellen, spielte sie im Leben und Werk des aufstrebenden Künstlers bald eine Schlüsselrolle. Vier Jahre lang - von Anfang 1911 bis ins Frühjahr 1915 - war sie nicht nur sein Lieblingsmodell, sondern zugleich auch seine Geliebte, Freundin und Lebenspartnerin.

Künstlermodelle hatten einen schlechten Ruf. Die jungen Frauen kamen häufig aus der sozialen Unterschicht und versuchten etwas Geld dazuzuverdienen, indem sie sich für Künstler auszogen. Auch Wally war eine dieser Frauen. 1894 als uneheliche Tochter einer Taglöhnerin und eines Hilfslehrers geboren, wurde sie später durch die Heirat der Eltern legalisiert. Nach dem frühen Tod des Vaters zog die Mutter mit ihren fünf Töchtern aus finanzieller Not vom Land nach Wien, wurde dort Hausbesorgerin und wechselte häufig die Adresse.

Die  junge Wally musste Geld nach Hause bringen. Eine Verdienstmöglichkeit war das Modellstehen für Künstler. Die suchten  für  ihre erotischen Darstellungen immer wieder Frauen, die sich nicht zieren würden, nackt zu posieren.

Ob Wally schon für Klimt Modell gestanden hatte, wie im Interview mit den Schwestern behauptet wird, ist umstritten. Für Schiele wurde sie zur wichtigsten Bezugsperson, in ihr hatte er die geeignete Frau für seine künstlerische  Arbeit gefunden.

Sie ging mit ihm nach Krumau/Česky Krumlov, dem Geburtsort seiner Mutter, wo für Schiele eine überaus produktive Periode begann. Nicht nur die Altstadt Krumaus diente als Quelle der Inspiration, auch Wally posierte hemmungslos und zeigte Verständnis für den obsessiven Charakter Schieles. Für die Krumauer war dieser Lebensstil anstößig, nicht nur der wilden Ehe mit Wally und der freizügigen Bilder, sondern auch der Besuche von Kindern in Schieles Atelier wegen.

Gemeinsam übersiedelten die beiden nach Neulengbach.

Als Schiele wegen angeblicher Entführung und Schändung eines Mädchens in Untersuchungshaft genommen und wegen Verbreitung unsittlicher Zeichnungen verurteilt wurde, hielt Wally öffentlich zu Schiele, besuchte ihn im Gefängnis und brachte ihm seine Malutensilien.

von meinen nächstbekannten rührte sich niemand außer Wally, die ich damals kurz kannte, und die sich so edel benahm, dass mich dies fesselte… schrieb Egon Schiele am 25. Jänner 1914 an seinen Mäzen Franz Hauer.

Die Zeitzeugen

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Egon Schiele Museum Erdgeschoss Melanie-Gerti-Wally (c) Daniela Holzer
Schiele ging recht offen mit seiner Beziehung zu Wally um, was für einen Künstler und sein Modell in Wien nicht selbstverständlich war. In seinem Freundeskreis traten sie als Paar auf. Wally begleitete den Künstler auf einigen Reisen und unterschrieb auch auf den Postkarten an seine Freunde, die wiederum Grüße an sie ausrichteten.

Auch seine Familie wusste von der Beziehung, war aber nicht begeistert.

Sein Schwager Anton Peschka nannte Wally in seinem Notizbuch eine „Dirne“ mit der sich Schiele umgäbe, weil sie „seine erotische Begierde und seine Eitelkeit“ befriedige und seine Laune zu händeln wisse. Melanie, die ältere Schwester Schieles, äußerte sich im Interview abfällig über Wally – „gekleidet wie eine Hexe“ - die in ihren Augen kein standesgemäßer Umgang war. Und Adele Harms, die Schwester Edith Schieles, meinte: „Sie war ja nicht schön “ vielmehr „verlebt“.

Das Ende

Im Februar 1915, als Egon Schiele die Einberufung zum Militärdienst bekam, schrieb er an seinen Freund und Gönner Arthur Roessler: ….habe vor zu heiraten…günstigst…nicht Wally.

Er schien den Entschluss gefasst zu haben, eine Frau aus guten Kreisen, die ihm gesellschaftlich ebenbürtig ist, zu ehelichen und begann das bürgerliche Nachbarmädchen Edith Harms zu umwerben. Neben rein rationalen Erwägungen über den sozialen Status seiner zukünftigen Frau hatte sich Schiele aber auch verliebt, was aus seinen Briefen an Edith herauszulesen ist.

Trotzdem fiel es ihm schwer, Wally loszulassen und er schlug sogar vor, dass er jedes Jahr einmal mit Wally in den Urlaub fahren könnte. Der Vorschlag wurde sowohl von Wally als auch seiner Frau vehement abgelehnt.

Das Ende der Beziehung verarbeitete Schiele im  Gemälde Tod und Mädchen – Es wird zum Denkmal einer unglücklichen Trennung.

Wally Neuzil  versuchte nach der Trennung von Schiele ihr Leben neu zu ordnen. Sie machte eine Ausbildung zur Hilfskrankenschwester und nahm einen gesellschaftlich anerkannten Beruf an. Nach einer kurzen Zeit in Wien wurde sie nach Dalmatien versetzt. Sie arbeitete zunächst in Sebenico/Šibenik und danach im k.u.k. Landwehr-Marodenhaus in Sinj, wo sie bereits im Dezember 1917 im Alter von 23 Jahren an Scharlach verstarb.

Egon Schiele und seine Frau Edith starben im Oktober 1918 in Wien an der Spanischen Grippe.

Wally Neuzil heute

Die Wally in Schieles Bildern ist eine Ikone der Kunstgeschichte, von der echten Wally gibt es nur spärliche Fakten. Fast ein Jahrhundert lang galt sie sie als Schieles „schlampertes Verhältnis“ geringgeschätzt und von der Forschung wenig beachtet.

Erst in jüngster Vergangenheit wurde durch intensivere Recherchen das Leben der „Frau an Schieles Seite“ rekonstruiert und neu bewertet.

2015 entdeckte die kroatische Journalistin Lana Bunjevac Wallys Grab in Sinj.

Im  Wiener Leopold Museum befasste sich im gleichen Jahr eine Schau mit dem Titel „Wally Neuzil – Ihr Leben mit Schiele“  mit ihren Lebensstationen, ihren Berufen vom Modell zur Krankenpflegerin und zeichnete das Bild einer Frau im Wien der Jahrhundertwende zwischen Aufopferung und Selbstverwirklichung, zwischen Tabulosigkeit und tiefer Mitmenschlichkeit. Ein Jahr später fand der österreichische Historiker Robert Holzbauer den Eintrag im Sterberegister.

Der Film Tod und Mädchen, eine österreichisch-luxemburgische Koproduktion aus dem Jahr 2016, zeigt Wally als Schieles große Liebe, als starke Persönlichkeit, als Unterstützung und Inspiration für seine wichtigsten Schaffensjahre.

Über die Beziehung Egon Schiele zu Wally Neuzil kursieren viele Legenden, die sich weder beweisen noch widerlegen und viel Spielraum für Deutungen lassen. War sie wirklich die Liebe des Lebens für den aufstrebenden Künstler, der sie verstieß, um bürgerlich zu werden, gerade als er auf dem Weg zum Erfolg war? War sie ein Teil einer Zweckpartnerschaft mit dem Maler oder ein ausgebeutetes Opfer, das in den letzten Jahren einer Epoche zu überleben versuchte?

Alles das macht sie zu einer geheimnisvollen Figur. Durch ihren frühen Tod  wird sie zu einer tragischen Heldin, deren Leben eng mit dem des Genies Egon Schiele verknüpft ist.

 

Text: Matthias Dockner, BA

Literatur:

  • Hilde Berger: Tod und Mädchen: Egon Schiele und die Frauen (Wien, 2009)
  • Robert Holzbauer, Klaus Pokorny: Verwehte Spuren. Das Schicksal der Wally Neuzil (1894–1917) (Wien 2010, Ausg. 2/2010, S. 8–11)
  • Diethard Leopold (Herausgeber), Stephan Pumberger (Herausgeber), Birgit Summerauer (Herausgeber): Wally Neuzil: Ihr Leben mit Egon Schiele (Wien, 2015)
  • Gregor Mayer: Ich ewiges Kind: Das Leben des Egon Schiele (Wien, 2018)

Online Quellen:

 

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